13 Juli 2012

Gewinnermentalität

Einer meiner Lieblings-Twitterer und Blogger, @positionsspiel, hat auf seinem Blog einen Eintrag veröffentlicht welcher mich dazu verleitet hier eine Art Gegendarstellung zu schreiben. Der Eintrag um den es geht ist hier zu finden: http://positionsspiel.wordpress.com/2012/07/11/the-strange-case-of-the-german-winning-mentality-theory/

Die Definition von "Gewinnermentalität" kann ich erstmal so stehen lassen, bei der Aussage, dass Ergebnisse der letzten Jahre zeigen, dass der Deutschen Nationalmannschaft eben diese Mentalität fehlt kann ich ganz und gar nicht unkommentiert lassen.

Die Nationalelf stand seit der WM 2002 mit einer Ausnahme immer mindestens im Halbfinale eines großen Turniers. Das alleine zeigt eine Mentalität, einen Willen zu gewinnen und zu den Besten zu gehören, der kontinuierlich vorhanden ist.

Den FC Bayern München in Verbindung mit der Nationalmannschaft zu bringen ist auch zulässig, jedoch nicht dem FC Bayern ebenfalls diese Mentalität abzusprechen. Und erst recht nicht ein Elfmeterschießen als Begründund dafür herzunehmen. Landläufig gilt der Spruch "Elfmeterschießen ist Glückssache" (außer man spielt gegen England) und genau so ist es auch. Die Bayern haben vor dem Elfmeterschießen den FC Chelsea klar dominiert und aufgrund von Pech oder gelegentlich auch Unvermögen ihre Chancen nicht verwandelt und nicht weil sie keine Gewinnermentalität hatten. Im Elfmeterschießen dann wollte jeder der sich nicht gut gefühlt hat die Verantwortung weitergeben. Okay, von Spielern auf Weltklasseniveau und von Spielern mit Eiern in der Hose darf man auch einmal erwarten, dass sie sich die Kugel nehmen und es sich zutrauen aus elf Metern auf ein Fußballtor zu schießen, nichts desto trotz wollte jeder einzelne dieser Spieler nichts anderes als die Championsleague zu gewinnen.

Im angesprochenen Blogbeitrag von @positionsspiel wird mir Gewinnermentalität viel zu sehr mit "Selbstvertrauen" verwechselt. Dieses Selbstvertrauen muss man sich erarbeiten, erspielen und man bekommt es vom Trainer, Mitspielern und Freunden eingetrichtert. Gewinnen aber will jeder Fußballspieler. Erst recht in einem Championsleague-Finale oder in einem EM-Halbfinale. Kein Spieler dieser Welt hat hier nicht die Gewinnermentalität, jeder möchte den Titel, möchte dieses eine Spiel bedingungslos gewinnen.

Um bei den aktuellen Ereignissen zu bleiben, genauer gesagt beim Halbfinale gegen Italien, kann man dieses Ausscheiden in erster Linie getrost dem Trainer ankreiden. Man hat sich taktisch auf Italien versucht einzustellen, eine beinahe schon wahnsinnige Mischung aus Mann- und Raumdeckung spielen lassen und für so eine Spielweise einfach die falschen Spieler eingesetzt. Schweinsteiger hat Explosivität gefehlt, Gomez bekam ab und an eine Flanke von Boateng auf rechts (ja wirklich, von Boateng...) etc. pp. Wir brauchen hier nicht das Spiel noch einmal zu reflektieren. Nichts desto trotz wollte jeder, jeder einzelne deutsche Spieler dieses Halbfinale gewinnen, allein es fehlte an der richtigen Taktik und an... richtig... Selbstvertrauen.
Ein großteil der Mannschaft besteht aus Bayern-Spielern welche zuvor dreimal Vize wurden, Vize-Meister, Vize-Pokalsieger und Vize-Championsleaguesieger. Woher sollen Spieler dann Selbstvertrauen nehmen wenn von allen Seiten auf sie eingeprügelt wird? Die Vereinsbosse dürfen aufgrund des verlorenen Finales dahoam traurig gestimmt sein. Die Presse darf sich auch ausweinen. Aber die Spieler dann runterzumachen zu machen weil sie im Elfmeterschießen in einem Championsleague-Finale verloren haben.... Bitte. Das 0:1 für Italien entstand (unter anderem) durch einen dummen Fehler von Hummels, also einem der mit Selbstvertrauen in das Spiel gegangen ist, einem der Meister und Pokalsieger wurde und der in den EM-Spielen zuvor die beste Leistung aller deutschen Spieler zeigte. Hat er also auch keine Gewinnermentalität? Weil ihm ein Fehler unterlaufen ist? Oder war er vielleicht zu übermütig, wollte zeigen wie gut er ist und Cassano den Ball vom Fuß nehmen anstatt einfach nur stehen zu bleiben und die Flanke zu verhindern?

Beide Tore sind aufgrund von leichten (Stellungs-) Fehlern gefallen, vorne hatte Deutschland vor allem in der Anfangsphase und kurz vor dem 0:2 einfach kein Glück. Also sprechen wir hier von fehlender Siegermentalität? Das ist mir doch ein bisschen weit hergeholt.

Ich stimme zu, dass eine Mannschaft einen oder auch zwei Führungsspieler braucht. Aber hatte die Deutsche Elf diese Spieler wirklich nicht? Schweinsteiger ist ein solcher Spieler, zwar außer Form bei der EM, aber wer hätte ihn ersetzen sollen? Ausgeholfen hat ein Khedira in Topform.

An dieser Stelle finde ich es übrigens überhaupt nicht angebracht eine Vereinsmannschaft mit der Nationalmannschaft zu vergleichen. Ein van Bommel hatte bei Bayern viel mehr Zeit um seine Rolle anzunehmen als ein Schweinsteiger oder gar ein Khedira beim Nationalteam. Zudem muss man im Nationalteam Anführer von Spielern unterschiedlichster Vereine sein, bei allen Mitspielern Respekt und Anerkennung genießen etc. Außerdem, mit wie vielen Punkten sind die Holländer nach Hause gefahren, die ja den Führungsspieler überhaupt hatten...? Genau...

Auch ist es fehl am Platze das frühe Ausscheiden aus der Championsleague von Borussia Dortmund von deren doch fehlender Gewinnermentalität abhägig zu machen. Sie haben keine Siegermentaliät, also fliegen sie eben früh raus. Mit nichten... Der BVB hat sehr wenige international erfahrene Spieler die alle erst einmal ihr Lehrgeld zahlen mussten. Gegen Marseille ist der BVB nach anfänglicher 2:0 Führung noch ausgeschieden, bis zum Anschlusstreffer spielte man auch in diesem Spiel hervorragenden Fußball. Außer Kapitän Kehl fehlte dann im Laufe des Spiels auch noch Mario Götze, die Unerfahrenheit und 2 eiskalt verwandelte Chancen von Olympique besiegelten das Aus. Aber Siegermentalität? Natürlich hatten die die Spieler des BVB. Andernfalls gehst du nicht in einem Gruppenphase Endspiel mit 2:0 gegen ein gestandenes Team in Führung. Natürlich wollte jeder Dortmunder Spieler die Gruppenphase überstehen und natürlich haben sie alles dafür gegeben!

Das jetzige Abschneiden bei der EM kann man also aus meiner Sicht nicht auf das fehlen Siegermentalität zurückführen.

Eines aber ist richtig: Eine Mannschaft braucht "Typen", braucht Führungsspieler ohne die es nicht geht. Ich bin da ganz bei der "Sammer'schen Theorie" (die eventuell zu gegebener Zeit in diesem Blog aufgearbeitet wird), aber Führungsspieler oder überhaupt das Vorhandensein von Führungsspielern mit dem Vorhandensein von Siegermentalität gleichzusetzen... Da kann ich nicht zustimmen.

Jeder dieser Profis möchte, egal wie viel er verdient, immer gewinnen. Erst recht die großen Spiele, Halbfinals, Finals etc. An der Siegermentalität hat es also nicht gelegen!

Ich würde mich über weitere Follower auf Twitter (@Alibipass) freuen :-)

1 Kommentar:

  1. Erstmal freut es mich sehr, dass Du dir die Zeit genommen hast, einen Artikel über meinen Blogeintrag zu schreiben!

    Vielleicht hast Du recht, vielleicht hab' ich mich wirklich zu sehr auf die Theorie der Siegermentalität verschossen und das Selbstvertrauen nicht berücksichtigt. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mal ob ich das überhaupt in meinen Überlegungen berücksichtigt habe…

    Deine Argumentation ist auch logisch, und bei vielem (muss) stimme ich Dir zu. Nichtsdestotrotz bin ich weiterhin größtenteils (abgesehen insbesondere vom EM-Halbfinale) von meiner eigenen "Theorie" überzeugt. Schließlich habe ich auf einen längeren Zeitraum abgezielt. Siehe letzter Teil mit den Jugendakademien und Klinsi.

    Bezüglich Khedira: Er hat eine Weltklasse EM gespielt. Allerdings ist er mir im Halbfinale ein wenig zu sehr untergetaucht. Natürlich ist er es nicht gewohnt so im Mittelpunkt zu stehen aufgrund seiner unterschiedlichen Rolle unter Mourinho. Trotzdem, da hätte mehr kommen müssen. Womit ich jetzt aber nicht seine hervorragende Leistung und Rolle bei der EM schmälern möchte.

    Grüße :)

    PS: Nice blog und du kannst den Link zu diesem Artikel ruhig unter meinem posten. :)

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